Energische Signale -
Der Energieträger Wasserstoff an der Schwelle zum Markt
(Eingeladener Beitrag zum BWK-Heft 10/2003)
Von
Carl-Jochen Winter, Überlingen, Germany
Professor Dr.-Ing. C.-J. Winter, Obere St.-Leonhardstr. 9,
88662 Überlingen, T/F +49 7551 944 5940/1
cjwinter.energon @ t-online.de
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"The energy system compares nicely with a bike: If not pushed forward, it tumbles!" |
Inhalt
- Zusammenfassung
- Technik
- Wirtschaft, Industrie, Markt
- Politik
- Fazit
Zusammenfassung
Es wird zwischen der etablierten Wasserstoffwirtschaft und der aufkommenden
Wasserstoffenergiewirtschaft unterschieden. Wegweisende Meilensteine der
Wasserstoffwirtschaft sind längst erreicht; Meilensteine der
Wasserstoffenergiewirtschaft jedoch stehen noch bevor.
Wasserstoff ist seit mehr als 200 Jahren bekannt. Wasserstoff in der Wasserstoffchemie, der Ammoniak- und Methanolsynthese, der Technischen Gase Industrie, als Fetthärter, bei der Glas- oder Elektronikfertigung sowie als Kühlmittel elektrischer Generatoren ist gängige Tagespraxis; sehr große Mengen Wasserstoff werden in Raffinerien erzeugt und genutzt (captive hydrogen). Nur eine Industriebranche nutzt den Wasserstoff als Energieträger - die Raumfahrt; sie allerdings gäbe es erst gar nicht ohne eine seiner hervorragenden Eigenschaften, die gravimetrische Energiedichte.
Der vorliegende Beitrag ist der Wasserstoffenergiewirtschaft und hier den Meilensteinen der Technik, des Marktes und der Politik gewidmet.
Die Techniken der Wasserstoffenergiewirtschaft haben nach Jahrzehnten moderner Forschung einen guten Stand. Gleichwohl, drei kardinale Technikfelder verlangen Weiterentwicklung: Die Sequestrierung und für die Atmosphäre schadlose Endlagerung von CO2, das bei der Herstellung von Wasserstoff aus fossilen Energierohstoffen mitentsteht; die mobile Speicherung; und Brennstoffzellen für portable, stationäre und mobile Anwendungen. – Die Herstellung von solarem Wasserstoff (Wasserstoff aus erneuerbarem Strom) ist zunächst eher eine Aufgabe effizienter, bezahlbarer solarer Energiewandler.
Nach Forschung (F), Entwicklung (E) und Demonstration (D) steht der klassische vierte Schritt bevor, der Marktauftritt (M) der Wasserstoffanlagentechnik. Noch sind die Bemühungen der Industrie auf Pilotfertigungen (learning investments) gerichtet, bevor Serien entschieden werden. Das gilt für Brennstoffzellen in portablen Elektroniken, für stationäre Anlagen oder für Wasserstoff an Bord von Automobilen. Der Marktauftritt verlangt Investitionen; sie setzen verlässliche Rahmenbedingungen voraus.
Diese zu setzen, ist Aufgabe der Politik, des dritten Eckpunktes der Triade Wissenschaft, Wirtschaft und Politik: Die Wasserstoffenergiewirtschaft gehört auf die Politikagenda des innovativen Industrielandes; Wasserstoff-Energiepolitik ist überwiegend Technologiepolitik; und, Außenwirtschaftspolitik des zu fast drei Vierteln importabhängigen Industrielandes (Deutschland) wird zum Schlüssel, wenn der Übergang von den Kohlenwasserstoffen des 19. und 20. Jahrhunderts zum Wasserstoff des 21. Jahrhunderts gelingen soll. –
Technik
- Die Techniken der Wasserstoffwirtschaft sind seit Jahrzehnten im Markt; sie werden vorausgesetzt und im folgenden nicht eigens behandelt.
- Die Techniken der Wasserstoffenergiewirtschaft sind das Resultat von mehreren Jahrzehnten moderner Forschung und Entwicklung; die einzige Branche, die sie in den Markt einführte, ist nach wie vor die Raumfahrt: Es gäbe sie nicht ohne Wasserstoff, den Raketentreibstoff höchster gravimetrischer Energiedichte!
- Aus dem großen Feld der Wasserstoffenergiewirtschaft bedürfen drei Technikfelder weiterer Erforschung, Entwicklung und Demonstration: (1) die effiziente Produktion von Wasserstoff aus fossilen Energien (Erdgas, Öl, Kohle) einschließlich der Sequestrierung des mitproduzierten Kohlendioxids und seine für die Atmosphäre schadlose Endlagerung; (2) mobile HPGH2-Speicher bis zu 700 bar sowie LH2-Speicher mit Abdampfraten <1 %/d und (3) Brennstoffzellen für portable Elektroniken, stationäre Anwendungen und das Fahrzeug. Jedes der Technikfelder lässt – in unterschiedlichen Zeitspannen – positiven Abschluss der F,E&D - Bemühungen erwarten:
- Für die Sequestrierung von CO2, seine Endlagerung in ausgekohlten
Erdöl- oder Gaslagerstätten oder seine Mineralisierung sind Jahrzehnte
das angemessene Zeitmaß. An welcher Stelle der Energiewandlungskette die
Sequestrierung stattfinden soll, ist zu entscheiden: Heute erwirbt das
Käuferland Energierohstoffe und potentiell die Schadstoffe gleich mit; es
obliegt ihm, sie zu entfernen und umwelt- und klimaökologisch schadlos
endzulagern. Morgen mag sich dieses Bild als wirtschaftlicher erweisen: Der
Verkäufer sequestriert vor Ort, lagert die Schadstoffe in den ausgekohlte
Lagerstätten und vermarktet sauberen Wasserstoff.
- Mobile Wasserstoffspeicher, wie HPGH2-Speicher und LH2-Speicher, können
auf jahrzehntelange Erfahrungen in der Raumfahrt aufbauen. Serien für
Transport und Lagerung auf der Erde können in wenigen Jahren erwartet werden.
- Die Natur ändert ihre Gesetze nicht: Das exergetisch effiziente
elektrochemische Prinzip der Brennstoffzelle wurde 1839 erstmals in der Literatur
erwähnt. Erst jetzt werden in Brennstoffzellen weltweit Milliarden investiert:
Kein Automobilunternehmen, kein Unternehmen der Energieindustrie, der
Heizungsbranche oder der portablen Elektronik, das nicht beteiligt ist. Die
Zeiterwartungen sind unterschiedlich: Brennstoffzellen als Ersatz für
Batterien in camcordern, Fernsehkameras, laptops u. dgl. sind an der Schwelle zum
Markt; stationäre industrielle Brennstoffzellen in der
Wärme-Kraft-Kopplung sind in der Demonstrationsphase und werden in den
nächsten Jahren auf dem Markt erwartet; in der Hausenergieversorgung wird der
sukzessive Ersatz der zwar energetisch exzellenten, aber exergetisch miserablen
Heizkessel innerhalb dieses Jahrzehnts beginnen; Hochtemperaturbrennstoffzellen
im topping cycle von Kombianlagen hingegen haben ihre Zeit noch vor sich, obwohl
das durchaus nicht illusionäre Ziel von 70 % elektrischen Wirkungsgrads des
Dreier-Kombis Hochtemperaturbrennstoffzelle-Gasturbine-Dampfturbine wahrlich
herausfordernd ist; bei mobilen Brennstoffzellen ist zwischen der auxiliary power
unit (APU) als Ersatz für den elektrischen Generator und dem eigentlich
Fahrzeugantrieb zu unterscheiden: die Brennstoffzellen - APU bietet eine
überzeugende exergetische Lösung, denn es war ja wohl immer schon absurd,
einen elektrischen Generator von 5 kWe durch einen Fahrmotor von, sagen wir, 100
kW antreiben zu lassen. Die APU entkoppelt Stromversorgung und Fahrzeugantrieb,
Stromversorgung bei Stillstand des Antriebs bleibt gewährleistet. - Die
Brennstoffzelle im Antrieb steht im Wettbewerb mit dem Verbrennungsmotor. Das
Rennen zwischen beiden ist spannend, aber ingenieurtechnisch, ökonomisch und
– im Rahmen des Lebenszyklus' – ökologisch nicht entschieden! Zweifelsfrei
hat die „junge” Brennstoffzelle den höheren Wirkungsgrad, aber auch der 100
Jahre alte Verbrennungsmotor ist nicht ausgereizt. Zweifelsfrei besticht die
Emissionsarmut der Brennstoffzelle, aber auch der Verbrennungsmotor erfüllt
die ab 2005 gültige EU IV-Norm. Nicht die Umweltökologie, sondern die
Klimaökologie entscheidet!
In allen Brennstoffzellenfeldern wird auch mit wasserstoffreichen
Kohlenwasserstoffen wie Erdgas, Methanol u.ä. experimentiert. Es mag so
kommen, dass portablen Elektroniken wegen der Gewichts- und Volumenrestriktion
Methanolkartuschen aufgeschaltet werden; und es mag so sein, dass die
stationären Anlagen mit Erdgas aus dem flächendeckenden Erdgasnetz
betrieben werden; in allen diesen Fällen führt das konsequenterweise zu
CO2-Emissionen, denen wegen der Dislozierung der Betriebsstandorte durch
Sequestrierung nicht beizukommen sein wird. Und, selbstverständlich sind
Reformer vorzuschalten (Ausnahme Hochtemperaturbrennstoffzellen mit interner
Reformierung), die ihre Eigendynamik haben und Geld kosten. Prinzipiell gilt: Die
problemlose Nutzung vorhandener Kohlenwasserstoffinfrastruktur steht gegen die
höher komplexe Einzelanlage. Wasserstoff hingegen macht die Einzelanlage
einfach, setzt aber die Errichtung angepasster Infrastruktur voraus.
Mobile Brennstoffzellen im Fahrzeugantrieb können letztlich nur mit einem
Kraftstoff betankt werden, es ist nicht vorstellbar, dass in verschiedenen
Ländern der Welt verschiedene Kraftstoffe zu tanken sind. Wenn auch derzeit
mit ganz unterschiedlichen Kraftstoffen experimentiert wird – Wasserstoff,
Methanol, Erdgas, selbst Benzin oder Diesel – , so wird die Sache letztlich bei
einem Kraftstoff enden müssen – Wasserstoff! Denn alle Zwischenlösungen
mögen kurzfristig einfacher scheinen, weil sie auf vorhandene Infrastrukturen
bauen, sie erzwingen aber regelmäßig den komplexeren Energiewandler an
Bord: Brennstoffzelle plus Reformer plus periphere Einrichtungen plus
Regelelektronik. Sollte als gern propagierte „Zwischenlösung” dennoch
zunächst auf einen anderen Kraftstoff als Wasserstoff gesetzt werden, dann
wird der Übergang auf Wasserstoff verzögert, um den letztlich kein Weg
herumführt! Denn die investierten Mittel müssen erst wiederverdient sein,
bevor neu investiert wird. Der Kraftstoff bestimmt den Antrieb, der Antrieb
bestimmt den Kraftstoff: "Hydrogen - the indispensible energy carrier"!
Industrie, Wirtschaft , Markt
- „Innovationen tragen die Konjunkturen” (J.A. Schumpeter). Innovationen sind die
Regel, das Festhalten an Überkommenem die Ausnahme, die Ausnahme mit häufig
bitteren Konsequenzen.
- Die Zeit ist reif für Unternehmer, das Heft der
Wasserstoffenergiewirtschaft in die Hand zu nehmen, sie tragen die
Investitionen und bestimmen den Marktauftritt.
- Die Wasserstoffwirtschaft ist wohletabliert, auf ihr kann die
Wasserstoffenergiewirtschaft aufbauen. Die Technische Gase Industrie, die
Raffinerien, Kohle-, Öl- und Gaswirtschaft sind gerüstet, Wasserstoff ist
für sie ein gängiges Produkt.
- Weil Kohle billig und ubiquitär ist, sind die Vergasung und Hydrierung von
Kohle wiederaufzunehmen, die in Deutschland in den 1930er/40er Jahren betrieben
wurden und noch heute in Südafrika operationell sind, weiter die
Verfahrenstechnik der CO2-Sequestrierung, hier oder bei den
Lieferländern,
Transport und Lieferung von Wasserstoff gasförmig, auch huckepack auf
Erdgasleitungen, oder verflüssigt in Straßentanklastzügen oder auf
Schiffen, schließlich die regionale Verteilung über Wasserstoffkorridore
entlang der Hauptverkehrsadern. Die Dichten des Tankstellennetzes und der
Fahrzeugpopulationen müssen korrespondieren. -
Solarer Wasserstoff aus erneuerbarem Strom von Solar-, Wind- oder Wasserkraftwerken
verlangt zunächst die Wirtschaftlichkeit der Kraftwerke; die Ankopplung der
Elektrolyseure ist dann nicht mehr von Gewicht.
- Die Elektrizitätswirtschaft und die Heizungsbranche sind dabei, die
Pilotinvestitionen stationärer Brennstoffzellen auszuwerten, bevor erste Lose in
Serie aufgelegt werden. Sie setzen zunächst auf Erdgas. Auch Kohlegas,
industrielle Schwachgase, Biogas, Klärgas kommen vor. Die erforderlichen
Reformer entfallen bei interner Reformierung (Hochtemperatur - Brennstoffzellen) oder
werden beherrscht werden. Gewicht und Volumen sind nachrangig.
Die CO2-Emissionen der Energiewirtschaft und der Hausenergieversorgung
schlagen heute besonders zu Buche. Hier kriegen die sauberen stationären
Brennstoffzellen ihre Domäne. Klimaökologische Neutralität jedoch
verlangt letztlich Wasserstoff.
Das deutsche Kraftwerksportfolio leitet aus der Kraftwerks-Lebensdauerstatistik und
der politisch entschiedenen Schließung der Kernkraftwerke eine
Re-Investitionsleistung per 2010/2020 von 40.000 MWe ab. Große Teile hiervon
müssen aus klimaökologischen Gründen durch saubere Brennstoffzellen in
Kraft/Wärme(Kälte)-Kopplung erbracht werden. Den Übergang von Erdgas
auf Wasserstoff bestimmt der Preis und die fortgeschriebenen Kyoto - Auflagen.
- Für die Weiterentwicklung der weltweiten Mobilität ist Wasserstoff
unverzichtbar – "the indispensable energy carrier!" Zwar können die
umweltökologischen EU IV-Vorschriften auch von Fahrzeugen mit
Kohlenwasserstoffen im Tank erfüllt werden, die klimaökologischen
Bedingungen des verschärften Kyoto-Prozesses aber nur bedingt, es gibt nun mal
keine Energiewandler mit Wirkungsgraden von 100%.
Für die Wasserstoffbereitstellung und die Betankung des Fahrzeugs ist es
zunächst unerheblich, ob ein Verbrennungsmotor oder eine Brennstoffzelle an Bord
ist. Robotisierte Tankstellen, Hochdruck- oder Flüssigwasserstofftanks an Bord,
on-board – und off-board – Sicherheitseinrichtungen sind für beide
nötig.
Ob die Brennstoffzelle im Antrieb des Fahrzeugs den Verbrennungsmotor ablösen
wird, ist nicht entschieden. Noch hat die Brennstoffzelle ihre liebe Not, auch nur in
die Nähe der Preise von Verbrennungsmotoren zu kommen, die mit < 100 €/kW auf
dem Markt angeboten werden. Und wenn es ihr dann gelungen sein wird –
theoretische Potenziale lassen das erwarten! – , müssen Motorenwerke sowie
Schmiedewerke für Kurbelwellen, Pleuel oder Nockenwellen oder
Aluminiumgießereien für Motorblöcke erst abgeschrieben sein, bevor
die Investitionsentscheidung für Fertigungsstätten von
Brennstoffzellenstacks oder Reformern gefällt wird. Industriestrukturwandel
setzt ein! –
An dieser Stelle ein Wort der Vorsicht: Es kommt immer wieder vor, dass Studien zur
Wasserstoffenergiewirtschaft die Techniken der überkommenen
Kohlenwasserstoffwirtschaft gedanklich weiterverwenden, sie halt nur mit Wasserstoff
betreiben; das ist ein Fehler! Wasserstoff ist nicht schlicht ein weiterer
Energieträger im ansonsten unverändert gelassenen Energiemix. Vielmehr,
Wasserstoff verlangt die ihm eigenen Techniken, um seine Vorteile zu nutzen, seine
Nachteile zu mindern: Etwa, der Vergleich von Effizienzen einzelner Anlagenteile ist
unzureichend, weil die Verluste bei der Wasserstoffproduktion am Anfang der
Energiewandlungskette (über-) kompensiert werden durch die (relativen)
Wirkungsgradsgewinne der Brennstoffzellen am ihrem Ende. Oder, effiziente
Kraft-Wärme(-Kälte)-Kopplung in kleinsten Leistungen hoher Stromzahl geht
nur mithilfe der wasserstoffversorgten Brennstoffzellen; sie vermeidet zudem den
verlustbehafteten Stromtransport auf den Überlandleitungen. Prinzipiell: im Kern
bieten Wasserstoff und Brennstoffzellen die Dezentralisierung und damit die
Exergetisierung der Energiewirtschaft, die (viel) mehr technische
Arbeitsfähigkeit aus Energie macht, als den nicht gerade beeindruckenden, bisher
erreichten 15 % (in Deutschland) entspricht. Hier liegt der Hase im Pfeffer, diesem
Tatbestand haben sich alle Einzeltechniken zuzuordnen.
Ein gewichtiges Argument spricht für die frühe Investitionsentscheidung:
F,E,D&M-Ergebnisse kommen eben nicht nur aus dem Labor, sondern auch vom Markt: Der
Alltagstest führt zur Alltagstauglichkeit! Wann je wären Märkte erst
eröffnet worden, nachdem auch das allerletzte F&E-Ergebnis vorgelegen
hätte?! 30, 40 Jahre haben Forscher an Wasserstofftechnologien gearbeitet; die
Zeit der Unternehmer ist da! Ein Beispiel aus der Geschichte: James Watt war der
Erfinder und Experimentator, sein Kollege Mathew Boulton der Unternehmer. Zu Beider
Markterfolg führte die Gründung der gemeinsamen Firma "Boulton & Watt" – man
beachte die Reihenfolge!
Die unternehmerische Entscheidung wartet nicht auf den Staat. Für den liberalen
Marktwirtschaftler ist der Staat kein Unternehmer. Die Triade aus Wissenschaft,
Unternehmertum und Staat verlangt selbständige und selbstbewusste
Eigenständigkeit aller drei Beteiligten.
Pilotmärkte bieten sich im Zusammenhang mit Großveranstaltungen, so etwa
im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland (Slogan „HYGermany”)
oder der noch zu entscheidenden Olympischen Spiele in Leipzig 2012 („Olympic
Hydrogen”), wo mit weltweiter Aufmerksamkeit das wasserstoffversorgte Athletendorf
oder Brennstoffzellenbusse und Wasserstofffahrzeuge samt Betankungseinrichtungen
vorgesehen werden sollten.
Politik
- Wasserstoff gehört auf die Agenda der Politik. Sie sorgt für die
positive Grundhaltung der politischen Klasse und der Gesellschaft und setzt
Rahmenbedingungen; finanzielle Förderung hilft, ist aber nicht entscheidend.
Schlüssel ist der erkennbare politische Wille, den Weg in die
Wasserstoffenergiewirtschaft zu gehen. Nicht durch Steuern steuern, sondern durch
Technologieentwicklung, zeigt den Willen des innovationsbewussten Staates.
- Energiepolitik Deutschlands war immer Energieversorgungspolitik. Das prinzipiell
energierohstoffarme Land war und ist bis heute auf verlässliche und bezahlbare
Energieimporte angewiesen. Globale Streuung der Lieferquellen ist zum Prinzip der
nationalen Versorgungssicherheit geworden. – Deutschland wird auch bei Wasserstoff
Importland bleiben. Die Dinge ändern sich graduell, nicht prinzipiell! Die
Primärenergien liegen nun mal nur zu einem Viertel im Lande. Umso wichtiger wird
vorsorgende Außenwirtschaftspolitik bleiben. Außenwirtschaftspolitik, die
sich weiterhin an die Lieferländer fossiler Energierohstoffe wendet, mit dem
Ziel, ihnen nach Sequestrierung von CO2 Wasserstoff abzukaufen; aber auch an
potenzielle Lieferanten, etwa Patagonien, dessen Windpotenzial so mächtig ist,
dass es die gesamte derzeitige Weltnachfrage von 13 Milliarden tSKE decken
könnte, dies wegen seiner geografischen Randlage aber nur mithilfe eines
speicher- und transportfähigen Energieträgers – Wasserstoff.
- Technologiepolitik wird zum entscheidenden Parameter künftiger
Energiepolitik werden. Sie wird zum Synonym für heimische Energieversorgung des
energierohstoffarmen Industrielandes. Die Enquête - Kommission „Schutz der
Erdatmosphäre” des Deutschen Bundestages beschloss in ihrer Empfehlung an das
Parlament einstimmig, Deutschland sei mit vorhandenem technischen Wissen auch mit
der Hälfte des Primärenergierohstoffbedarfs „zu betreiben”, ohne
Einbuße an Wohlfahrt. Energiegewinne durch Verbesserung der nationalen
Energieeffizienz von heute 30 % auf 60 %, operationell primärenergierohstofflose
erneuerbare Energien und Wasserstoff, wie elektrischer Strom als Sekundärenergie
aus allen Primärenergien herstellbar, sind mithilfe technischen Wissens
aufzuschließen, das damit einer Form nationaler Energie gleichkommt, die den
Importbedarf drosselt. Energiepolitik wird Technologiepolitik, auch und gerade in der
Wasserstoffenergiewirtschaft
- Ein Element der Wirtschaftspolitik nach innen darf nicht vergessen werden: Der
Anfang der nationalen Energiewandlungskette ist in der Hand von Profis: bei
Raffinerien, Kraftwerken, Netzen herrscht Sachkunde und Verlässlichkeit; am Ende
der Kette aber mühen sich 82 Millionen Laien mit Energie ab. Dieses Kettenende
ist zu professionalisieren, umso mehr, als es zunehmend technisiert werden wird.
Gegenüber Solarkollektoren auf dem Dach, Brennstoffzellen in den Kellern,
elektroaktiven Gläsern in den Fenstern und dem Wasserstoffauto in der Garage ist
der Laie hilflos. Wiewohl er den Schlüssel in der Hand hält: Denn, bei
einem nationalen Energienutzungsgrad von 30 % verhindert jede im Nutzerbereich
aufgrund professioneller Handhabung nicht nachgefragte Kilowattstunde an
Energiedienstleistung, drei Kilowattstunden an Primärenergierohstoffen am
Kettenanfang in die Volkswirtschaft einzuführen! Ein volkswirtschaftlich und
ökologisch eminent wichtiger Tatbestand: Wasserstoff dezentralisiert die
Energiewirtschaft, macht sie effizienter und sauberer: die Musik spielt am Ende der
Energiewandlungskette!
Fazit
Die Wasserstoffenergiewirtschaft verändert das gewachsene Energiesystem in vier Bereichen:
- Wasserstoff entcarbonisiert die gebräuchlichen Kohlenwasserstoffe, hydrogenisiert und entmaterialisiert sie. Über die Sequestrierung von CO2 werden fossile Energierohstoffe klimaökologisch zukunftsfähig; über Wasserstoff wird das CO2-freie Kohlekraftwerk möglich, Wasserstoff aus Kohle verschafft ihr den Zutritt zum boomenden Gasemarkt.
Geschäftsfelder: Verfahrenstechnik der Sequestrierung und Endlagerung von CO2; die Hochtemperaturbrennstoffzelle, Kohlevergasung, das CO2-freie Kohlekraftwerk.
- Elektrolytischer Wasserstoff aus erneuerbarem Strom (solarer Wasserstoff), macht diesen speicher- und transportierbar und verschafft ihm so die Beteiligung am Welthandel.
Geschäftsfelder: Effiziente Kraftwerke erneuerbarer Energien; Elektrolyseure, Verflüssiger, HPGH2-Pipelines, LH2-Tankschiffe samt ihrer Be- und Enttankungseinrichtungen; stationäre Speicher, Kompressoren, Pumpen.
- Wasserstoff und Brennstoffzellen exergetisieren, sie erhöhen die Effizienz der Sekundärenergiewirtschaft, sie holen mehr technische Arbeitsfähigkeit (Exergie) aus Energie. Wasserstoffversorgte stationäre Brennstoffzellen sind exergetisch hocheffiziente Energiewandler kleiner Leistungen von Watt bis Megawatt, sie dezentralisieren das Energiesystem; sie bilden einen virtuellen Kraftwerkspark im Nutzerbereich, dessen elektrische Kilowattstunde in Wettbewerb tritt mit der gewohnten Kilowattstunde aus zentraler Produktion. Vor Ort aufgestellte Energiewandler kleiner Leistung gestatten uneingeschränkte Wärme-Kraft-Kopplung. Wasserstoff technisiert das Umfeld der laienhaften Bürgerschaft, die Übernahme dieses technischen Umfeldes durch die Energiewirtschaft tut Not (Professionalisierung).
Geschäftsfelder: Stationäre Brennstoffzellen in Wärme-Kraft-Kopplung; Virtuelle Kraftwerke; IT-Technologie; contracting.
- Wasserstoff im Tank garantiert der Mobilität von Menschen und Gütern klimaökologische Zukunftsfähigkeit an Land, in der Luft, auf See.
Geschäftsfelder: Mobile HPGH2- und LH2-Speicher; mobile Wasserstoffverbrennungsmotoren und -brennstoffzellen, wasserstoffversorgte bordeigene Stromversorgung in Landfahrzeugen und Flugzeugen; Wasserstofftankstellen; Wasserstoffinfrastruktur auf Flughäfen und Seehäfen.
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